Zoll, Sanktionen, ESG & Co.: Lieferketten zwischen Kontrolle und Krise
Internationale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Die Pandemie hat ihre Schwachstellen offengelegt, doch was folgte, war weit mehr als ein temporärer Engpass. Sanktionen, Strafzölle, politische Instabilität und regulatorische Anforderungen wie das Lieferkettengesetz verschärfen die Herausforderungen – und machen das Management internationaler Warenflüsse komplexer denn je.
Besonders betroffen: Unternehmen, die global beschaffen, produzieren und vertreiben – also ein Großteil der Industrie.
Sanktionen & Exportkontrollen: Neue Realität statt Ausnahme
Die EU hat in den vergangenen Jahren ihre Sanktionspakete deutlich ausgeweitet, zuletzt mit dem 18. Maßnahmenbündel gegen Russland. Diese Sanktionen betreffen nicht nur einzelne Unternehmen oder Produkte – sie verändern ganze Logikstrukturen internationaler Handelsrouten.
Im Fokus stehen:
- Transportverbote für russisches Öl durch Drittstaaten („Shadow Fleet“)
- Finanzdienstleister, Logistikunternehmen und IT-Anbieter
- Einfuhrverbote und Prüfpflichten für dual-use-Güter
Für Logistikunternehmen bedeutet das:
Tägliche Risikoanalysen und Anpassungen,
Exportkontrollen bei Hightech-Gütern,
enge Prüfung von Empfängerländern, Kunden und Transitrouten.
Trump-Zölle 2.0: Wirtschaftspolitik per Twitter
Eine der unberechenbarsten Einflussfaktoren derzeit ist die US-Zollpolitik – erneut unter dem Namen Donald Trump. Schon während seiner ersten Amtszeit hat er die globalen Märkte mit Strafzöllen auf Stahl, Aluminium und tausende chinesische Produkte überzogen. Was damals schleichend begann, wird heute fast täglich neu verhandelt – über Pressekonferenzen, Tweets oder Eilbeschlüsse.
Was Unternehmen heute erleben:
- Zölle, die sich über Nacht ändern – ohne Vorwarnung.
- Entstehung neuer "Zollregionen", etwa bei China-Exporten über Mexiko.
- Tarifhürden, die auch scheinbar sichere Routen betreffen.
Beispiel: Ein Hersteller plant den Export über Kanada – doch ein neuer US-Beschluss klassifiziert die Ware plötzlich als "China-nah" und belegt sie mit 25 % Aufschlag.
Fazit:
Planbarkeit? Kaum noch gegeben.
Nur durch vorausschauende Routenplanung, rechtliche Expertise und Szenarienarbeit können Unternehmen handlungsfähig bleiben.
Zertifikate, ESG & Lieferkettengesetz: Die stille Revolution
Während Sanktionen Schlagzeilen machen, verändern andere Themen die Lieferkette leise – aber tiefgreifend.
Die neue Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) der EU verpflichtet Unternehmen, ihre gesamte Wertschöpfungskette auf Menschenrechte, Umweltrisiken und Korruptionsgefahr zu prüfen. Nationale Ausprägungen wie das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) oder das französische Loi de Vigilance sind bereits in Kraft.
Was gefordert wird:
- Nachweisliche Rückverfolgbarkeit von Rohstoffen
- Audits bei Partnern und Subunternehmen
- Risikoklassifizierung und Abhilfeprozesse
Besonders für Logistikdienstleister bedeutet das:
- Mehr Transparenz über Subdienstleister
- Digitale Dokumentationspflicht
- Erhöhte Haftung bei ESG-Verstößen
Multimodalität & Flexibilität als neue Pflicht
Die beste Antwort auf geopolitische Unsicherheit: Diversifikation.
Lieferketten, die auf nur eine Route, einen Hafen oder ein einziges Land setzen, sind heute Hochrisikostrukturen.
Logistikunternehmen reagieren mit:
- Multimodaler Planung (Lkw, Bahn, Schiff kombinieren)
- flexiblen Umschlagsorten, z. B. alternative Häfen außerhalb von Zollregionen
- Pufferlagerung in rechtlich stabilen Märkten
- Kundenkommunikation in Echtzeit, z. B. bei Verzögerungen durch Zollprüfungen
Globale Lieferketten haben sich in nur wenigen Jahren radikal verändert – und zwar nicht nur durch Krisen wie Corona oder Ukrainekrieg, sondern durch eine tiefgreifende politische Neuordnung. Zölle, Sanktionen, ESG-Vorgaben und geopolitische Spannungen fordern neue Antworten: mehr Kontrolle, bessere Planung, weniger Abhängigkeit. Wer vorbereitet ist – rechtlich, logistisch und digital – wird aus diesem Wandel gestärkt hervorgehen.