22.8.2025

B. Jacobs

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4

Min

Seidenstraße 2.0 – Chancen und Risiken der neuen Bahnverbindung zwischen China und Europa

Die historische Seidenstraße verband über Jahrhunderte China mit Europa – Waren wie Seide, Porzellan und Gewürze fanden so ihren Weg von Ost nach West. Heute erlebt diese Route ein spektakuläres Comeback: Mit dem Infrastrukturprojekt „Neue Seidenstraße“ (Belt and Road Initiative, BRI) treibt China seit einigen Jahren eine der ambitioniertesten Handels- und Transportkorridore der Welt voran. Neben Seewegen und Straßen spielt dabei auch der Schienengüterverkehr eine Schlüsselrolle.

Doch was bedeutet diese neue Bahnverbindung für Europa und die Logistikbranche? Und wo liegen Chancen – und wo Risiken?

Der Schienenweg: schneller als See, günstiger als Luft

Ein typischer Containerzug von Chongqing nach Duisburg benötigt rund 12 bis 16 Tage. Zum Vergleich:

  • Seefracht von China nach Europa: 30–40 Tage
  • Luftfracht: 2–3 Tage, dafür aber um ein Vielfaches teurer

Die Bahn schließt also die Lücke zwischen Preis und Geschwindigkeit. Für Branchen wie Automotive, Elektronik oder Fashion, die schnelle Lieferzeiten brauchen, aber nicht die enormen Luftfrachtkosten tragen wollen, bietet sich die Schiene als attraktive Alternative an.

Politische Dimension: Mehr als nur ein Transportweg

Die Seidenstraße 2.0 ist nicht nur ein logistisches, sondern auch ein politisches Großprojekt. China sichert sich damit Einfluss auf internationale Handelsrouten und baut wirtschaftliche Abhängigkeiten auf.
Europa wiederum profitiert von neuen Kapazitäten, steht aber auch vor der Frage: Wie abhängig wollen wir uns von chinesischer Infrastruktur machen?

Hinzu kommen geopolitische Unsicherheiten: Der Krieg in der Ukraine zwingt viele Routen zu Umleitungen über Kasachstan oder Russland. Das macht Planungen für Unternehmen komplexer.

Chancen für Unternehmen in Europa

  • Diversifizierung der Transportwege: Wer nicht allein auf See- oder Luftfracht setzen will, gewinnt mit der Bahn eine zusätzliche Option.
  • Stabilere Lieferketten: Gerade in Zeiten von Hafenstaus oder Kapazitätsengpässen kann die Bahn Lücken schließen.
  • Nachhaltigkeit: Schienentransport hat im Vergleich zur Luftfracht einen deutlich geringeren CO₂-Fußabdruck.

Risiken und Herausforderungen

  • Geopolitische Spannungen: Sanktionen, Zölle oder Konflikte können Routen von einem Tag auf den anderen blockieren.
  • Kostenentwicklung: Während Bahntransport oft günstiger als Luftfracht ist, schwanken die Preise stark und sind nicht immer planbar.
  • Abhängigkeit von Transitländern: Russland, Kasachstan und Weißrussland sind zentrale Korridore – das macht den Transport anfällig für politische Entscheidungen.

Die Seidenstraße 2.0 ist Chance und Risiko zugleich. Für viele Unternehmen lohnt sich der Blick auf die Schiene als Ergänzung zu See- und Luftfracht. Entscheidend wird sein, ob Europa eigene strategische Weichenstellungen trifft – um einerseits von den Vorteilen zu profitieren, andererseits aber nicht in neue Abhängigkeiten zu geraten.

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Die neue Seidenstraße ist mehr als ein Zugprojekt – sie ist Symbol für die Verschiebung globaler Handelsströme. Für europäische Unternehmen eröffnet sie schnellere und nachhaltigere Transportoptionen zwischen China und Europa. Gleichzeitig erfordert sie ein wachsames Auge auf geopolitische Risiken. Wer heute global denkt, sollte die Bahn als Baustein seiner Lieferkette berücksichtigen – aber nie als alleinige Lösung.

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